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By Josefine Kammerer

19.08.2019

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Schon beim Gang entlang der typischen kleinen, runden, goldumrandeten Bistrot-Tische, welche unter der dunkelgrün-weißen Markise und der knallroten Leuchtreklame arrangiert sind, fühlt man sich wie auf der Rue Vernier in Paris, mit dem Geruch der feinen Aromen, vermischt mit einer leichten Note von Zigarettenrauch, sowie dem Klirren der Gläser, Teller und Geschirr.

Am Eingang des Restaurants wird man mit der französischen Inschrift „Passant Sois Moderne“ („Passant, sei modern“) auf einer Fußmatte begrüßt, die einst über dem Eingang zum künstlerischen Treffpunkt von Paris stand, dem Kabarett „Le Chat Noir“. Und tatsächlich, beim Eintreten reist man zurück durch die Zeit in der Geschichte des Restaurants, seinen goldenen Zeiten und treusten Gästen, zumindest ein wenig näher an die „Belle Epoque“.
Zahlreiche Meisterwerke bekannter zeitgenössischer deutscher Künstler und gleichzeitig Stammgästen des Restaurants, wie Daniel Richter, Jürgen Teller, Cosima von Bonin etc., schmücken die Wände, Ecken und sogar die Decken der beiden großen Essbereiche. Einst hing hier auch ein gleichnamiges Werk von Martin Kippenberger, mit einer Szene aus dem Restaurant.  Für den Verleih dieses Bildes hatte der Künstler ein Recht auf lebenslange freie Bewirtung mit den Betreibern vereinbart. Das Werk wurde allerdings in 2009 in London für knapp 2.5 Millionen Pfund versteigert.

Es ist unverkennbar, dass die Paris Bar seit Jahrzehnten eine Institution für die Berliner Kunstszene ist und war. In einem der Essbereiche gilt eine Wand einzig den Erinnerungen anhand einer Collage aus Hunderten Polaroid-Bildern, welche die ersten Jahrzehnte und damit die goldenen Zeiten der Paris Bar aufzeichnen.

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Seit 1979 leitet Michel Würthle, selbst Zeichner, hier die Geschäfte. Kaum ein Restaurant in Berlin sorgte für so viele Schlagzeilen. Über Steuerbetrug und skandalöse Parties, über das Sichten internationaler Stars, und über drohende Insolvenz. Auch die Plexi-Gläser, die hier auf den Tisch kommen und zunächst überraschen, verraten, dass hier der Abend mit Hochklappen des Bürgersteiges noch nicht vorbei sein muss, sondern viel mehr in hemmungslosen Parties mit Tanzen auf den Tischen endet.

Fehmi, unser sympathischer Begleiter an diesem Abend, arbeitet quasi seit Würthle’s Übernahme in der Paris Bar und in diesen 40 Jahren hat nicht nur die Paris Bar in ihm Spuren hinterlassen, sondern auch andersrum – so hat seine Leidenschaft und Großzügigkeit, subtile (und fast französisch wirkende) liebenswerte Arroganz, Lockerheit und sein freches Grinsen der Paris Bar ein Flair verliehen, das die Gäste sich hier wohl fühlen lässt und sie sich dem Abend gerne hemmungslos hingeben.

Er weiß alles, und alles besser, jedenfalls wie kaum ein anderer im Restaurant, was die angebotenen Speisen und Getränke angeht. So war er natürlich unser idealer Komplize für jenen Verkostungsabend. Zur Einstimmung und ersten Stimulierung der Geschmacksknospen servierte er uns zunächst einen wundervoll prickelnden Begrüßungs-Champagner mit einem Duzend Fines de Claire N°2, dazu ganz klassisch Körnerbrot und streichzarte Butter.

Als kleine Überraschung brachte uns Fehmi die gebratene foie gras (Gänseleberpastete) auf Feldsalat, Chicorée und einem fruchtigen Himbeer-Joghurt-Dressing. Das kurze Anbraten der foie gras vervielfacht ihren Geschmack, denn die Wärme lässt das Fett weich werden, wodurch es sich im Mund noch besser verbreiten kann, weitere Salze freilässt und die dabei entstehende hauchzarte, feine Kruste fügt ihr noch eine weitere Konsistenzkomponente zu. Darüber hinaus ergänzt der bittere Chicorée mit dem ausgleichend cremig-fruchtigen Dressing den Lebergeschmack hervorragend.

Dann ging es weiter mit einem Omelette au truffe zum „Hineinlegen“ (ab 12 Uhr mittags kann dies natürlich auch gut als ein spätes Frühstuck/Brunch gegessen werden) und der Bouillabaisse – eines meiner Leibgerichte.
Serviert wurde sie in der klassischen weißen Löwenkopfsuppenterrine gefüllt mit reichlich vielen Fischfilets, Garnelen und Jakobsmuscheln, dazu, wie es sich gehört, Baguette zum Bestreichen mit Rouille, einer leicht pikanten Sauce auf Basis von Knoblauch, roter Paprika, Kartoffeln, Ei und Olivenöl. Obwohl die Rouille nicht ganz nach meinem Gusto abgeschmeckt war und mir der in Frankreich oft dazu gereichte geraspelte Parmesan fehlte, war die Suppe selbst geschmacklich wundervoll. Reichhaltig an Fischaromen und mit einer leichten Note von Pastis, einer Spirituose aus Anis, war sie schlichtweg rund und vollkommen. Begleitet hat uns hierzu ein absoluter Spitzenweißwein, ein leichter, frischer, fruchtiger Chardonnay aus Chablis 1er Cru (heißt übersetzt „Erstes Gewächs“, obwohl es eigentlich nur die zweithöchste Einstufung der räumlichen Lage in Burgund bezeichnet, nach dem Grand-Cru) „Vaillons“ der Domaine Louis Moreau, ideal insbesondere zur Bouillabaisse.

Der Hauptgang war ein Chateaubriand für Zwei, das Chateaustück der Rinderfilets, welches aus dem dickeren, zweigeteilten Ende des Filets, dem Filetkopf, geschnitten wird. Seine Zubereitung dauert zwar etwas, doch das Warten ist es wert. Serviert wurde es in einer Alu-Tasche, in der die Aromen des frischen provenzalischen Thymians, des Rosmarins, der Zitrone und abermals des Pastis eingefangen wurden, wodurch ein fabelhafter Sud entstand und das Fleisch wundervoll aromatisiert, butterweich (klassisch medium rare) gegart wurde. Dazu kamen ganz gewöhnliche French Fries und super frische, knackige grüne Bohnen und zwei wundervolle, beerig kräftige Rotweine, ein Cru Bourgeois (bedeutet wörtlich „Bürgerliches Gewächs“ und bezeichnet eine Kategorie qualitätsorientierter Weingüter in Bordeaux, Médoc) aus dem Jahr 2008, und ein zwar deutlich jüngerer, und doch sehr geschmeidig strukturvoller Rotwein, primär gewonnen aus Cabernet Sauvignon und Merlot.

Klassisch ging es auch bei dem Dessert weiter – mit crème brûlée. Diese war formidable, stichfest, dennoch cremig, mit lieblicher Vanillenote und einer knusprigen Kruste – nicht zu dick, nicht zu dünn, perfekt karamellisiert. Die leicht warme tarte tatin, der traditionelle „kopfüber“ gebackene Apfelkuchen, war der krönende Abschluss. Sie ist perfekt! Die typische Karamellschicht, die beim Backen auf dem Kupfer- oder Keramikboden der Tarteform entsteht, zusammen mit den fruchtig süß-säuerlichen Äpfeln, zusammen mit dem kühlen Vanille-Eis (ein absolutes Muss!) ist wahrlich ein Gedicht.

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https://kultur24-berlin.de/die-paris-bar-das-kult-restaurant-von-west-berlin/

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Paris Bar     Kantstrasse 152     10623 Berlin

 +49 30 313 80 52

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