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Berliner Zeitung

Die Paris Bar ist wie eine Zeitreise: Allein der Mythos zählt

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Nur wenige Restaurants in Berlin verdienen die Bezeichnung „The Place to be“ – für die Paris Bar scheint sie allerdings wie geschaffen.

Es gibt gastronomische Orte, die dutzendmal totgesagt wurden, und sie sterben doch nie. Es umgibt sie – trotz des Zahns der Zeit – eine Magie, die nicht allein mit ihrer Geschichte oder Skandalen erklärt werden kann. Auch nicht mit dem Service, den Weinen und Drinks, dem Essen, dem Interieur oder der Kunst an den Wänden.

Es ist und bleibt mysteriös, warum es die Gäste – darunter oft Künstler und Prominente – nach wie vor immer wieder dahin zieht, auch wenn sie zeitgemäßere, vom Essen und der Weinkarte her spannendere Restaurants besuchen könnten.


Die Paris Bar gehört für mich in diese Kategorie. Seit ihrer Eröffnung 1962 existiert sie noch am selben Standort auf der Kantstraße. Wenige Restaurant in Berlin sorgen so zuverlässig für Schlagzeilen: skandalöse Partys, Steuerbetrug, drohende Insolvenz – in letzter Minute abgewendet durch den Verkauf eines Gemäldes von Martin Kippenberger, das man von Wand nahm, sowie weltberühmte Stars als Gäste – all diese Geschichten liefert die Paris Bar.
 

Paris Bar: Allein der Mythos zählt


Während des Kalten Krieges sagte man, die Paris Bar sei das „Wohnzimmer der Berliner Boheme“. Noch immer sitzt hier vor allem der Berliner Westen bei Salade niçoise, Rinderfilet und Bouillabaisse. Zur Berlinale oder Fashion Week ist es sicher proppenvoll – Fotografen wie André Rival, Ulrike Schamoni oder die Designerinnen von Kaviar Gauche sind bekennende Fans.

In den Zeitungsartikeln darüber werden dann neben dem neuesten Klatsch zuverlässig die alten Geschichten bemüht: Am häufigsten die von Madonna, die einmal einfach reinspazierte und sich hinsetzte, worauf ein Kellner sie aufforderte, den Tisch freizumachen. Er sei reserviert – für Gina Lollobrigida. „Who the fuck is Gina Lollobrigida?“, soll Madonna daraufhin gefragt haben.

Nun gut, was wirklich wahr ist, ist irgendwann unwichtig. Allein der Mythos zählt.

Fakt ist, dass Yves Saint Laurent, Yoko Ono, Leonardo DiCaprio, Robert De Niro und Jack Nicholson hier tranken und speisten. Und dass der Musikjournalist Chris Hodenfield 1979 hier ein Interview mit Iggy Pop und David Bowie führte. Sein Text erschien unter dem Titel „Bad Boys in Berlin“ – und beschreibt Iggy Pop, wie er sich später vor der Tür betrunken im Eis herumwälzte. Wieder ein Mythos.

 

Fakt ist, dass man beim Betreten der Bar durch die Zeit reist. Genauer, durch eine mit Kunst gefüllte Zeitkapsel: Eben jener Yves Saint Laurent schmückt als überlebensgroßes und mit „für Michel, alles Liebe“ signiertes Portrait einen der Essbereiche, ebenso eine Collage aus hunderten Polaroid-Bildern, alles Erinnerungen an mehr oder weniger berühmte Gäste. Ohne viele Änderungen könnten die Räume mit ihren vielen beachtenswerten Gemälden, dem schwarz-weiß karierten Fußboden und den weiß eingedeckten Tischen die Staffage für einen Film aus der Nachkriegszeit sein.

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Das Essen ist nicht der Hauptgrund, warum man herkommt, habe ich bereits geschrieben. Aber wie schmeckt es? Als meine Redaktion mir sagte, sie plane ein Schwerpunktheft zur Fashion Week, und ich solle ein passendes Restaurant raussuchen, dachte ich sofort an die Paris Bar. Und freute mich riesig, mal wieder hinzugehen.

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Kein Diätessen, verdammt lecker!

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Ich hätte sie nicht einfach mal so als Restaurantkritik vorgeschlagen. Denn das Essen dort, so meine Vermutung, die sich als richtig erweist, ist eher wie mein Modegeschmack: nicht aufregend, ohne ersichtliche Entwicklung über die Jahre, dafür aber klassisch gut – und teuer, würde mein Mann wohl hinzufügen.


Letzteres ist heute im Verhältnis zu anderen Restaurants zu relativieren. Das Schöne an der Paris Bar ist, dass sie auch für arme Künstler etwas auf der Karte bereithält: Für 7 Euro kann man etwa mit einer Zwiebelsuppe, in der typischen Löwenkopfterrine serviert, einsteigen. Die gibt es ebenso wie ein paar andere Speisen durchgehend bis 1 Uhr nachts. So heiß serviert, dass man sich sofort die Lippen verbrennt, wenn man die goldene Gruyère-Kruste durchbricht. Darunter ebenso heiße, dicke, weichgekochte Zwiebelringe im eigenen Sud, mit dem sich die groben Stücke altes Weißbrot vollgesogen haben. Ein herrliches Gericht, das viel zu selten auf modernen Karten steht.


Eben diese Zwiebelsuppe führt auch direkt zur Gründungsgeschichte: Denn alles begann mit dem Heimweh nach französischem Essen. In der Besatzungszeit fehlten einem Koch der französischen Armee die Favoriten aus seiner Heimat. Er eröffnete die Paris Bar, servierte Zwiebelsuppe, Salade niçoise, Gänsestopfleber. 1977 wurde sie dann an das österreichische Gastronomen-Duo Michel Würthle und Reinald Nohal verkauft. Letzterer starb im vorigen Jahr. Würthle ist heute 80 Jahre alt, betreibt das Restaurant noch immer, hat aber nach dem Steuerskandal die Geschäftsführung an Ernst Arno Baur abgegeben.

 

Weiter geht es bei mir mit Weinbergschnecken, ebenfalls etwas, was man selten bekommt. Wieder so siedend heiß serviert, in einem gusseisernen Schneckenpfännchen, dass ich sie nicht sofort essen kann. Derweil tunke ich das Baguette in die Kräuterbutter, von der mindestens ein halbes Pfund über den gepulten Schnecken geschmolzen ist. Kein Diätessen, verdammt lecker, das ist hier das richtige Wort. Die Schnecken sind weich, ich finde, ihr Fleisch ähnelt dem von Kalb, die ätherischen Öle der Kräuter wie Petersilie, Kerbel und Knoblauch sind tief eingezogen.

 

Danach gönne ich mir ein Rinderfilet mit einem Haufen Pommes zu einer wunderbaren Sauce béarnaise, jener Abwandlung der Hollandaise, die noch mehr Butter und Eier beinhaltet, aber durch ihren Würzsud aus Estragonessig, Schalotte und Pfefferkörnern eine feine Säure hat. Die Pommes sind nicht handgeschnitzt, aber gut eingekauft. Und das Filet reicht an das im Grill Royal bei weitem nicht ran, jenem anderen mystischen Laden, der wie die Paris Bar und das Borchardt Kultstatus besitzt.

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Das Essen hier ist so klassisch französisch wie es nur sein kann, die Umgebung berauschend, denn das Beste ist, die Menschen und auch die Kunst zu bewundern, die hier wirklich jeden Zentimeter der nikotinbefleckten Wände bedeckt. Danach stolperte ich in die Nacht hinaus, durch Schwaden von Zigarettenrauch vor der Tür, und hinter meinem Rücken flirrt der knallrote Leuchtschriftzug mit Paris Bar. Das fühlt sich magisch an – und ein bisschen nach dem echten Paris.

https://www.berliner-zeitung.de/food/food-berlin-die-paris-bar-ist-wie-eine-zeitreise-allein-der-mythos-zaehlt-li.306274

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Tina

Paris Bar     Kantstrasse 152     10623 Berlin

 +49 30 313 80 52

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